Den Weg zu studieren heißt sich selbst zu studieren, sich selbst zu studieren heißt sich selbst vergessen. Sich selbst zu vergessen bedeutet eins zu werden mit allen Existenzen.
– Dōgen Zenji (Lehrer des japanischen Zen-Buddhismus, Anfang 13. Jhdt.)
Sorgen und Ängste vorbeiziehen lassen, gänzlich aufgeben und mit Geist und Körper zur Ruhe kommen – Zen-Praxis verspricht nichts und gibt doch vieles, wenn man bereit ist, geduldig und diszipliniert zu üben. Hier erfahren Sie einen ersten Überblick über die Geschichte des Zen und der Zen Meditation, die sich in dieser spirituellen Praxis über Jahrhunderte hinweg entwickelt haben.
Die Geschichte und der Hintergrund des Zens
Der Begriff ‚Zen‘ leitet sich aus dem Sanskritwort Dhyana (dt. ‚Zustand meditativer Versenkung‘) ab und verweist auf eine Strömung des Mahayana-Buddhismus. Zen-Buddhismus wurzelt in Südostasien und verbreitete und entwickelte sich über Korea und Vietnam nach Japan, wo er schließlich den heutigen Namen annahm.
Hinter Zen steht das ‚Ziel‘ Leerheit (Shunyata) und Nicht-Selbst (Anatta) zu realisieren. Das Wort ‚Ziel‘ ist deshalb unter Anführungsstrichen, weil Zen-Buddhismus eigentlich kein konkretes Ziel verfolgt. Es beschreibt vielmehr die Praxis und den Lebensweg, die zu Shunyata und Anatta hinstreben.
Zen-Schüler versuchen zu verstehen, dass das individuelle Ich nur eine Illusion, und dass vielmehr alles miteinander verbunden ist. Die Anhaftung an dieses Ich (und auch an alles andere) schafft Leiden (Dukkha) und die Lösung davon durch Meditation ermöglicht den Zugang zur Fülle des Lebens und die Verbindung der inneren und äußeren Welten.
Die Meditationstechniken
Soviel zur theoretischen Grundlage. Die Zen-buddhistische Praxis sieht unter anderem 3 Hauptübungen vor, von denen die wichtigste ‚Zazen‘ genannt wird. Die anderen beiden Hauptübungen, Kinhin (Gehmeditation) und die Rezitation, sind sozusagen die Ergänzung zu ‚Zazen‘.
Kurz noch vorweg: Üben Sie möglichst mit einem Lehrer, damit, sollten eventuell Probleme auftauchen, diese von einem erfahrenen Zen-Meister beseitigt werden und der Zen-Praxis nicht im Weg stehen können. Außerdem können Sie so Ihre Zen-Meditation von Grund auf lernen, um sozusagen ‚richtig‘ zu meditieren.
Was ist Zazen und wie wird es geübt?
Zazen ist sozusagen das Herz der Zen-Praxis. Der Begriff stammt aus dem Japanischen (Za-, dt. ‚sitzen‘ und Zen-, dt. ‚Versenkung‘). Sie dient als Ausgangspunkt für die anderen Techniken und soll eigentlich schlussendlich in alle Bereiche des Lebens Einzug finden.
So geht’s – Anleitung zur richtigen Zen-Haltung:
- Schlagen Sie, wenn möglich wie beim Lotussitz im Yoga, die Beine ineinander (alternativ kann man sich auch in den halben Lotussitz, Fersensitz oder Burmesischen Sitz setzen).
- Sie können eine dicke Matte, eine Decke oder ein Sitzkissen als Unterlage
- Die Knie sollten fest im Boden verankert sein.
- Der Rücken ist gerade ausgerichtet, die Schulter und der Rücken sind vollkommen entspannt, lassen Sie bewusst Ihre Schultern fallen, wenn Sie dort oft angespannt sind.
- Der Kopf ist gerade, die Scheitelkrone strebt zum Himmel, das Kinn ist leicht zurückgezogen, damit der Nacken gestreckt und die Ohren senkrecht über der Schulter liegen.
- Die linke Hand liegt auf der rechten, die Daumen berühren sich leicht an den Kuppen und bilden ein Oval, das den Nabel umschließt.
- Die Ellbogen sind leicht nach außen gerichtet und die Arme sind so weit vom Körper weggestreckt, dass etwa eine Faust in die Achselhöhle passen würde.
- Die Augen sind halb geöffnet, fokussieren nicht und der Blick ist in etwa einen Meter vor dem Körper auf den Boden gerichtet.
- Lassen Sie den Atem natürlich und sanft fließen. Zählen Sie beim Ausatmen von 1-10. Eine Einheit dauert in etwa 30 Minuten. Körper und Geist konzentrieren sich voll und ganz auf das Sitzen und Atmen. Versuchen Sie aufkommende Gedanken weiterziehen zu lassen.
Der Ausgleich: Kinhin
Um die starre Sitzhaltung auszugleichen wird meist direkt nach Zazen Kinhin, die Gehmeditation, geübt. Dabei wird ähnlich vorgegangen wie bei Zazen, nur eben im Gehen.
- Die Geschwindigkeit kann ganz unterschiedlich sein: Pro Ein- und Ausatmen ein Schritt, oder etwas zügiger (besonders beim Üben im Freien).
- Die Wirbelsäule ist gerade ausgerichtet, Schultern und Rücken entspannt.
- Die Handhaltung (Shashu): Die linke Faust wird von der rechten Hand umschlossen (beim Gang im Uhrzeitersinn). Die Hände liegen vor dem Oberkörper auf Höhe des unteren Brustbeins. Die Unterarme bilden von Ellbogen zu Ellbogen eine parallele Linie zum Boden.
- Konzentrieren Sie sich zu Beginn allein auf Ihre Schritte und den Kontakt Ihrer Fußsohlen zum Boden.
- Achten Sie, wie auch bei der Zazen-Meditation, auf Ihren Atem und verschwinden Sie ganz in Ihrer Übung.
Die Integration des Zazen in diese zweite Übung dient dazu die Meditation auch in aktivere Tätigkeiten als das Sitzen einzubinden. So kann die Übung irgendwann auch in den Alltag miteinfließen.
Rezitation von buddhistischen Sutren
Sutren sind die buddhistischen Lehrreden. Sie werden bei der Rezitation als eine Art Sprechgesang aufgesagt. Ziel ist es nicht die intellektuelle Bedeutung der Worte aufzunehmen, sondern vielmehr durch den Klang der Stimme und der hervorgebrachten Worte mit der Umgebung zu verschmelzen.
Am Ende der Rezitation folgen 3 tiefe Verbeugungen, nicht um den Inhalt des Textes oder die Praxis lobzupreisen, sondern um den Körper aufgeben zu können und sich tiefer mit dem aktuellen Augenblick und der Umwelt zu verbinden.
Wenn du nach innen schaust, eröffnet sich eine völlig neue Welt,
und deine alte Sprache wird bedeutungslos.
– Osho (indischer Philosoph und Begründer der Neo-Sannyas-Bewegung, 1931-1990)
Das Ziel der Zen Meditation
Wie bereits erwähnt, hat Zen-Buddhismus und dessen Praxis kein unmittelbares Ziel. Ein Zen-Meister soll einmal gesagt haben: „Ich würde gerne irgendetwas anbieten, um Dir zu helfen, aber im Zen haben wir überhaupt nichts.“ Doch genau dieses „Nichts“ ist es, das oft gesucht wird.
Zen-Meditation hilft Stille und Leere (Shunyata) zu erleben und den unruhigen Geist zur Ruhe zu bringen, denn nur ein klarer Geist kann auch klar denken und das wahre Wesen der Dinge erkennen. Denn meistens ist das, was wir wahrnehmen durch Filter interpretiert, was zu Fehlinterpretationen und Missverständnissen führen kann.
Das sogenannte Hishiryō soll praktiziert werden. Es bedeutet so viel wie ‚Nicht-Denken‘ und geht über unser gewöhnliches, kategorisierendes Denken hinaus.
Man lernt die eigenen Denkmuster zu erkennen und zu hinterfragen, Blockaden zu sehen und die Anhaftung an das Ich und sonstige Elemente des Lebens aufzulösen, denn laut der buddhistischen Lehre wird durch Festhalten an etwas Leiden (Dukkha) erzeugt, das es zu lösen gilt.